Es hätte so schön werden können: ein gepflegtes Gespräch vor dem Kamin im Salon, dazu ein Tässchen Tee mit Blick in den Hotelgarten und über den Starnberger See... Doch es ist März, das Land im Lockdown, und The Starnbergsee Hideaway seit Monaten geschlossen. Also verabreden sich Lars Kaiser, Inhaber des Hotels, und unsere Starnberger Bloggerin Katja Schneider zu einem Telefoninterview. „Lass uns bloß nicht zu viel über die Krise reden“, sagt Lars Kaiser gleich am Anfang. Schließlich hat er noch viel Spannenderes zu erzählen. Ein Gespräch über Krisenmanagement, die Liebe zum Starnberger See, Tapeten aus London und frische Scones zur Tea Time…
Herr Kaiser, es ist 17 Uhr. Ich störe Sie hoffentlich nicht gerade bei der Tea Time im Starnbergsee Hideaway?
Nein, nein, ich bin seit Wochen im Homeoffice in Köln. Aber stimmt schon, als Teetrinker gehört die Tea Time natürlich zu meinen Highlights des Tages, auch wenn ich es nur selten einrichten kann. Im Hideaway sind solche Momente besonders schön: der See vor der Tür, unser gemütlicher, britisch angehauchter Salon und dazu ein klassischer schwarzer Tee. Was mein Team und ich aber vielmehr vermissen, ist das Hotelleben drumherum.
… das vermissen wir alle. Wie geht und ging es Ihnen und Ihrem Team gesundheitlich?
Bestens. Wir halten uns strikt an alle Regeln. Aber wollen wir nicht Du sagen? Wir Rheinländer sehen das ja eher entspannt und locker. Das ist auch Stil unseres Hauses: Auch wenn die Architektur unseres Hotels sehr klassisch elegant ist, sind wir im Herzen bodenständig, fröhlich und nahbar. Das wissen unsere Gäste zu schätzen, ob es nun die Familie aus Nordrhein-Westfalen oder der reichste Mann Indiens ist.
Hilft dir dein rheinländischer Frohsinn ein bisschen durch die Krise? Die Pandemie trifft die Hotel- und Gastronomiebranche ja mit am härtesten…
Das stimmt. Corona ist ein Rückschlag, der für die gesamte Wirtschaft extremer ist als alles andere. Noch dazu trifft uns die Krise in einer Zeit, da wir ganz am Anfang stehen und durchstarten wollten. Und nun ist das Hotel leer, das Geschäft um hundert Prozent eingebrochen. Auf der anderen Seite laufen Kosten wie Mieten, Strom, Wasser trotzdem weiter. Aber ja, ich bin ein total positiver Mensch und blicke nach vorne. Ich beschäftige mich mit der Zukunft, statt in der Krise zu verharren.
Wie überbrückt ihr den Lockdown?
Ein Beispiel ist dein Blog auf unserer Website, um Kontakt zu unseren Gästen und Freunden des Hideaways zu halten – und ihnen das Lebensgefühl am See nach Hause zu bringen, wenn sie schon nicht zu uns kommen können. Leicht und amüsant, um der Krise ein bisschen die Schwere zu nehmen. Wir wollen weiterhin präsent sein, im Gespräch bleiben. Außerdem arbeiten wir an vielen Plänen. Mein Traum wäre es, das Mühlengrundstück zu erschließen und mit Obstbäumen zu bepflanzen, unter denen sich unsere Gäste zum Picknick treffen oder einfach ein gutes Buch lesen könnten. Gerade in der Krise muss man Pläne schmieden. Als Bauunternehmer in der zweiten Generation kenne ich viele Höhen und Tiefen. Ich weiß, es geht immer weiter.
Also keine schlaflosen Nächte?
Ich schlafe nie gut, das hat aber damit zu tun, dass mein Kopf ständig am Arbeiten ist. Auf meinem Nachttisch liegt neben der Biografie von Konrad Adenauer auch ein Notizbuch, in das ich nachts immer wieder Ideen schreibe. So entstehen tolle Sachen wie unsere geplante Wellness-Dachterrasse mit Whirlpool oder unsere Beachtage „Sparkling Garden“ im letzten Sommer.
Das kam bei den Gästen prima an…
Ja, unser neues Konzept zeigte trotz Krise schon erste Erfolge: Die Auslastung in den vergangenen vier Sommermonaten, die wir geöffnet haben durften, lag bei 95 Prozent. Wir hatten Gäste aus ganz Deutschland, der Schweiz, auch aus Holland und Großbritannien. Unter unserem neuen Hoteldirektor Ernst Schassberger sind wir mit ganz neuem Selbstvertrauen aufgetreten. Wir haben aus Anfängerfehlern gelernt. In den ersten Jahren haben wir einfach zu ängstlich agiert.
Du bist vor allem Bauunternehmer und Immobilienentwickler. Braucht es als Hotelier nicht ein ganz anderes Knowhow?
Zugegeben: Der Profi bei uns ist meine Frau mit ihrer 20jährigen Erfahrung in der internationalen Hotellerie. Aber wir betreiben gemeinsam seit 20 Jahren das Boutiquehotel VILLA LA CHENERAIE mit zehn Zimmern in St. Raphael / Südfrankreich. Für mich ist das Hotelwesen ein toller Kontrast zum Baugeschäft, wo es in erster Linie um harte Kalkulationen geht. In der Hotellerie kann ich in eine ganz andere Welt eintauchen, alles ist permanent im Fluss, man ist nah am Menschen dran, muss auf Trends reagieren und sich ständig weiterentwickeln. Das hat Charakter! Auf der anderen Seite macht es mir Spaß, Menschen an dem teilhaben zu lassen, was mir gefällt. Ihnen die Welt zu zeigen, wie ich sie erlebe.
Deshalb der eher britische Stil des Starnbergsee Hideaways?
Die Idee war, an diesem wunderschönen Platz am Südufer des Starnberger Sees eine zeitlose Architektur zu schaffen. Ich mag den Altbaucharakter und habe mich beim Interieur und den Bauelementen überall auf der Welt inspirieren lassen. Der Mosaikfußboden in der Rezeption erinnert an ein spanisches Schloss, die Chester Sofas im Salon wurden extra für uns angefertigt, der Flügel ist aus dem Jahr 1928 und stammt aus einem Zürcher Hotel, die gekalkten Möbel in den Badezimmern haben wir in Frankreich entdeckt. Und dann erst diese tolle Tapete mit den Vogelmotiven! Dafür sind wir extra nach London gereist, wo es tolle Designkreationen von William Morris gibt.
Passt das zum Starnberger See?
Ich bin kein Bayer und hätte es als anmaßend empfunden, mich in einem Baustil auszutoben, von dem ich keine Ahnung habe. Dieses traumhafte Grundstück hat eine einzigartige Anziehungskraft. Ich erinnere mich noch daran, als ich zur Besichtigung die Garmischer Autobahn Richtung Seeshaupt fuhr, diese grünen Wiesen, die Berge und wenn man abbiegt: dieser traumhafte See! Ich wollte auf dem Grundstück etwas entstehen lassen, was der langen Geschichte des Lidos und einer gewissen Tradition gerecht wird - keinen seelenlosen 100-Zimmer-Klotz, sondern ein Boutique-Hotel, das zeitlos gediegen und trotzdem legere ist. Und in dem man sich um jeden Gast persönlich kümmert.
…nur der Park ist noch recht karg.
Ein Garten braucht nun mal am längsten. Ich bin ein großer Gartenfreund und auch hier von der südenglischen Parkarchitektur beeinflusst. Ich muss erst ein Gefühl für den Boden bekommen und werde mich wahrscheinlich noch in 20 Jahren um den Hotelgarten kümmern. Uns sind gleich am Anfang einige Eiben eingegangen. So etwas macht mich traurig. Ich bin kein Hotelier, der ein solches Projekt nur auf dem Reißbrett entwirft. Ein Garten muss langsam wachsen. Er braucht Herz und Fürsorge. Mit unserer Eiben Allee, den Hyazinthenbeeten und unserem Kräutergarten für unser Restaurant bin ich jedenfalls glücklich.
Kommst du dazu, dein Hotel auch mal selbst zu genießen?
Neben meinen Businessanzügen habe ich auch immer Badehose und Turnschuhe im Gepäck. Selbst wenn der Tag durchgetaktet ist, versuche ich, morgens im See zu schwimmen oder mal mit dem Fahrrad am Ufer entlangzufahren. Am schönsten ist es natürlich, wenn wir mit der ganzen Familie, mit unseren neunjährigen Zwillingstöchtern und den Hunden aus Köln anreisen und auch mal zwei Wochen bleiben.
Man sagt, der See verändert die Menschen. Empfindest du das auch so?
Absolut. Wenn ich hier ankomme und aufs Wasser blicke, komme ich sofort runter. Das sollte es für Menschen mit zu hohem Blutdruck eigentlich auf Rezept geben. Was gibt es Schöneres, als den Tag mit einem schönen Glas Whiskey und dem Blick über den Starnberger See ausklingen zu lassen? Es wäre allerdings schön, wenn dieses Gefühl nach Abreise noch ein bisschen länger anhalten würde…
Hat das Starnbergsee Hideaway trotz der Pandemie Buchungsanfragen für den kommenden Sommer?
Ja, wir spüren, dass die Menschen Sehnsucht nach Reisen, Begegnungen und Urlaub haben. Wir haben Buchungen und ermöglichen es den Gästen, kurzfristig kostenlos zu stornieren, wenn die Pandemie uns im Sommer noch dazu zwingt. Wir wären bereit für die neue Saison, denn kleine Boutique-Hotels wie wir können auf die Krise schnell und flexibel reagieren. Wir haben den Roomservice erweitert und werden Menüs auch auf den Zimmern und privaten Terrassen servieren. Auch die Hygienekonzepte sind selbstverständlich. Dabei arbeiten wir mit intelligenten Produkten. Kein Gast muss Angst haben, dass die Zimmer oder fluffigen Badehandtücher plötzlich nach beißenden Desinfektionschemikalien riechen.
Siehst du in der Krise auch eine Chance?
Wir müssen lernen, auf die Krise zu reagieren. Das Stichwort heißt Staycation: Durch die Krise ist den Menschen wieder die Schönheit unseres Landes bewusst geworden. Das wird ein Trend für die nächsten Jahre. Man wird vielleicht weniger dramatisch verreisen, also weniger das Land oder zumindest den Kontinent verlassen. Weil Fliegen teurer wird und Gesundheit, Sicherheit, Nachhaltigkeit noch bedeutsamer geworden sind. Warum soll man nach Thailand reisen, wenn man auch in Südfrankreich, Italien oder am Starnberger See Urlaub machen kann? Ich glaube, dass die heimische Hotellerie, gerade auf dem Land, davon profitieren kann, vor allem in Traumregionen wie dem Starnberger See und dem Voralpenland.
Sind deutsche Touristen eigentlich angenehmer als ihr Ruf?
Wie in allen Nationen gibt es Unterschiede. Was mir letztes Jahr aufgefallen ist: In der Öffentlichkeit wurden oft die mangelnden Vorsichtsmaßnahmen in Südfrankreich beklagt. Dabei haben sich dort viele Deutsche kaum an die Hygienebestimmungen gehalten - als würden hinter der Grenze keine Regeln mehr gelten. Aber die bissige Anekdote, dass deutsche Touristen gleich morgens als Erstes rausrennen, um ihr Handtuch auf die Liegen zu legen, halte ich für überzogen. Wir erleben die deutschen Gäste als sehr kultiviert und höflich.
Wenn ich ehrlich bin: Wenn ich könnte, ich würde auf der Stelle losrennen und meine Liege für den nächsten Sommer reservieren. Wäre das schön…
Wir scharren auch mit den Hufen. Zurzeit erneuern wir noch unsere Software, wollen das Wellnessangebot erweitern und arbeiten an einem Konzept für das Strandrestaurant, das wieder „Lido“ heißen soll. Ich nenne es das Projekt „Lido 21“ – dort bieten wir diesen ersten S
ommer frische Bowls an, denn die Nachfrage nach gesunder, leichter Küche wird immer größer. Und eine Herzenssache für mich: Wir werden unsere Tea Time mehr zelebrieren, mit Scones und Sandwiches. Mit viel Glück treffen wir uns dann also zum nächsten Gespräch bei einer Tasse englischem Tee.
WELCOME ZUR TEA TIME MIT DEM BOSS
Unsere Autorin Katja Schneider lebt am Starnberger See und schreibt auf ihrem Blog www.katjas-notizen.de über Plätze, die zum Ausflippen schön sind, und das Leben, das sie selbst nicht so ganz versteht.
Für uns macht sie sich ab sofort ein paar Gedanken, wie unsere Tage und Nächte (noch!) süßer werden. Also theoretisch jedenfalls.
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